Heft 1/2008 Nippes

 

editorial

 

Editorial.

Das Prinzip Frosch


Eine Zeitschrift im Hochformat, die sich Querformat nennt, ist ein Paradox. Zunächst. Denn schnell kommt das Quere zum Vorschein: in der Themenwahl, den wissenschaftlichen Methoden und in der Präsentation der Inhalte. Genau das ist unser Programm: in den Blick zu nehmen, was nicht offensichtlich ist, und scheinbar Nebensächliches zur Hauptsache zu machen. Dabei geht es um Beweglichkeit – eine Drehung des Standpunkts, eine Neigung der ­Betrachtenden, eine überraschende Wendung. Wenn sich etwa im vorliegenden Heft der historische Hofnarr als Gartenzwerg in heutigen Vorgärten wiederfindet, wenn Michelangelos David als Blow-Up in bunten Farben schillert, dabei antike Bemalungen zitiert und ›kitschig‹ verkehrt oder wenn Swarovskis Kristallküken museal geadelt ­werden, dann zeigt sich die vielfache Referenz der Objekte und die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Hoch- und Populärkultur.
Querformat ist eine kunst- und kulturwissenschaftliche Zeit­schrift, die ihren Blick im jährlichen Rhythmus auf zeit­genössische Phänomene, internationale Kunst und Populär­kultur richtet. Einen integralen Bestandteil des Konzepts bilden methodische Perspektiven der Gender, Cultural und Postcolonial Studies, die festgefügte Wissensproduktionen in Frage stellen und dadurch fachübergreifende und vielstimmige Diskussionen in Gang setzen. Gerade der transdis­ziplinäre Austausch erfordert die Bereitschaft zum queren Denken. Die Zeitschrift führt nicht nur kunst-, kultur- und medienwissenschaftliche Beiträge zusammen, sondern schlägt überdies eine Brücke zum Design und insbesondere zur typographischen Gestaltung – mit jedem Thema erfindet sich Querformat neu. Bild und Text, so das Konzept, sind gleichgewichtig und gehen eine Verbindung ein, die über die in wissenschaftlichen Zeitschriften übliche Illustration hinausgeht: Die Text-Herausgeber/innen und die Gestalter/innen arbeiten besonders eng zusammen. Querformat bewegt sich auf diese Weise nicht nur thematisch, sondern auch gestalterisch an den Schnittstellen von Theorie und Praxis. Daher korrespondiert dieses Editorial mit dem Nachwort zum Gestaltungskonzept.
Die erste Querformat-Ausgabe geht »Richtung Nippes« und widmet sich den kleinen nutzlosen Ziergegenständen, den Staubfängern unserer Wohlfühlwelten. Eingeführt aus dem Französischen als Pluralform, hat das Wort »Nippes« im markanten Singular die Umgangssprache erobert. Längst nicht mehr nur Zeichen kleinbürgerlichen Spießertums, ist Nippes salonfähig geworden und wird unter den Vorzeichen von ›Camp‹ oder ›Cute Culture‹ spielerisch gewendet. In diesem Heft wird Nippes aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachtet: nicht nur seine Transfor­mationen in der Welt der Kunst, sondern auch sein Erscheinen im Vorgarten, in der Szenekneipe, in der Vitrine von Museumsshop oder guter Stube samt seinen Variationen als Trash-, Gemütlichkeits- oder Luxusnippes.
Studierende der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig haben die so genannten »Hausgreuel« aufgespürt, wo es nur ging. Die Rubrik Quereinsteiger umfasst studentische Text- wie auch Bildbei­träge, denn eines der Ziele von Querformat ist es, diesen Positionen eine Plattform zu bieten; nicht zuletzt verantworten Studierende den wesentlichen Teil der Gestaltung des Magazins.
Coverboy unseres ersten Heftes ist ein Froschkönig aus dem Museum der Dinge in Berlin. Querformat hat ihn zum Wappentier erkoren. Denn als Exemplum der Kitschkultur steht der Froschkönig mit seiner Transformation vom ekligen Amphibium über den strahlenden Prinzen bis hin zur Gießkanne nicht nur für die Umwertung von Kitsch und Nippes, sondern auch für die Wandlungsfähigkeit unserer Zeitschrift.

Wir wünschen viel Vergnügen beim Sehen und Lesen!

Sabine Kampmann, Alexandra Karentzos, Birgit Käufer,
Alma-Elisa Kittner, Thomas Küpper